Was ganz persönliches

G

Gast12043

Guest
So, da ich der Meinung bin, dass Musik bewegt, wollt ich nun mal ganz unverblümt fragen, was ihr so bei Elektronic empfindet! Ich glaube, da ist jeder verschieden, aber doch ganz interessant oder?

Fangen wir bei mir an: Ich würde sagen, dass mich zB. Trance und Dance irgendwo an einen anderen Ort bringt,weit entfernt von der Realität...

Was empfindet ihr bei solcher Mukke?
 
Schöner Thread.

Also ich bin/war ja auch Trance-Liebhaber. Mittlerweile bemängel ich den Untergang, weil immer weniger gute Releases kommen, aber darum gehts ja gar nicht...

Also, schwer zu beschreiben. Wenn ich nach'm Feierabend vor den Decks stehe und mir Trance reinziehe/auflege dann kann ich einfach abschalten. Ich mach die Augen zu und drifte in meinen Gedanken. Ich schlage Wellen mit den Armen und schwebe in Trance...
 
Sehr schöner Thread.

Romane sind nicht gern gesehen (bzw. gelesen :) ), aber bei dem Thema kann ich nicht anders, verzeiht bitte.

(Hinweis: Wenn ich im folgenden Techno sage, meine ich damit den Oberbegriff, also auch Trance, House, Tribal Trance usw.)
Ich höre Techno, seit ich 10 bin etwa. Ich habe, glaub über Schulkameraden, irgendwie davon gehört und dann eine damals 14- oder 15-jährige Nachbarstochter gebeten, mir eine Techno-Kassette zusammenzustellen (Die gute alte Kassettenzeit, herrliche Erinnerungen). Einer der ersten, wenn nicht gar der erste Techno-Track auf dieser Kassette, war "No Limit" von 2Unlimited. Das Thema (oder Hookline oder wie auch immer man es nennen möchte) zusammen mit dem Groove hat mich dermaßen ergriffen, dass ich mich davon nie wieder "erholt" habe. Von da an war Techno fester Bestandteil in meinem Leben. Ich hatte zwischenzeitlich Phasen, eine ganze Zeit lang stand ich auf Volksmusik und hatte auch eine Klassik-Phase, wo ich jeden Morgen um 5 aufgestanden bin, um die Konzerte im Klassik-Radio auf Kassette mitzuschneiden. Aber Techno blieb im Hintergrund immer da, um jede dieser Phasen irgendwann wieder abzulösen.
Ein Klassenkamerad hat mir damals die Techno Club Vol.3, CD 2, mixed by Mario de Bellis, auf Kassette überspielt. Ich weiß gar nicht, wie oft ich diese Kassette gehört habe, PERMANENT, mit Walkman unterwegs, PERMANENT. Das Intro mit den Hitler-Flieger-Sirenen ist eines der umwerfendsten Intros, die ich je gehört habe, diese Mix-CD (naja, eigentlich nur die ersten sechs Tracks incl. Intro, die anderen finde ich eher nicht berauschend) war und ist für mich der Wahnsinn.

Irgendwann habe ich mir die Maxi "Impression" von Resistance D gekauft. Auch dieses Werk hat mich sehr angerührt. Den "Live at Mayday ´95", der da auch drauf ist, habe ich am Anfang gar nicht wahrgenommen, ja, habe ihn noch nicht mal gehört. Ich sah, dass der 15 Minuten lang ist und naja, habe halt immer nur die Impression-Tracks gehört. Weiß auch nicht, ich hatte wohl keine Lust, einen 15-Minuten-Track zu hören. Jedenfalls hat er mich einige Zeit lang nicht interessiert. Irgendwann habe ich ihn dann doch mal gehört. Was soll ich sagen? Seit mindestens sechs Jahren ist das mein absoluter Lieblingstrack. Kein anderer Track hat es bis heute geschafft, ihn vom Thron zu stoßen. Heute höre ich mir diese 15 Minuten mindestens einmal am Tag an, eher öfter. Immer und immer wieder. Ich habe mir bei ebay drei Schallplatten davon gekauft, und drei mal die Impression-Maxi. Jeweils eine Platte und CD beider Tracks lagere ich bei einem Bekannten. Wenn eines Tages meine Wohnung abbrennt, habe ich immer noch einen Satz Originale an einem anderen Ort. Außerdem habe ich die Tracks auf zwei verschiedenen Computern und einer externen Festplatte gespeichert. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass beide Wohnungen gleichzeitig abbrennen, lasse ich mir jetzt auch noch was einfallen. Ich denke daran, alles auf eine Compact Flash-Karte zu speichern und diese immer bei mir zu tragen.

"Live at Mayday ´95" ist für mich Techno pur, die absolute Vollkommenheit. Die wunderschönen, wellenartigen Flächen am Anfang, da geht die Sonne auf. Und der Beat, der erst nach 2,5 Minuten einsetzt. Die Sounds und Themen, die da verarbeitet werden. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, man kann das nur mit dem Herzen verstehen.

Techno ist für mich die Musik des Lebens, die Musik der Freude, die vollkommene Musik schlechthin. Mit handgemachter Musik kann ich wenig bis gar nichts anfangen, sie ist tot und unnatürlich, sie spricht mich nicht an. Techno ist natürlich und lebendig, mit dieser Musik kann ich mich zu 100% identifizieren. Die Musik tröstet mich, wenn ich traurig bin und freut sich mit mir, wenn ich glücklich bin. Gerade so schöne Trance-Stücke aus den 90ern, deren Melodie einem unter die Haut geht und die Freudentränen in die Augen treibt, z.B. "Pascal Device: Violet Space (Voyage Part 2) und (Final Voyage Mix)" oder "Nostrum: Brainchild". Im Gegensatz zu Menschen versteht die Musik meinen Schmerz, die Musik drückt das aus, was mit Worten nicht gesagt werden kann.

Mit Gesang in der Form, wie man ihn aus Rock und Pop kennt, kann ich überhaupt nichts anfangen, ist für mich genauso tot, da ist keine Aussagekraft drin. Die Aussage kommt allein aus der Musik, die Musik selbst ist die Aussage, so ist das bei Techno, man braucht überhaupt keinen Gesang, der stört da nur. Die schönen Melodien, die Harmonie, in Verbindung mit der Dramatik des unaufhaltsamen Beats, der Leben und Zukunft verkündet, darin findet man die Aussage. Diese Aussage ist nie feststehend wie bei einem Lied, wo der Text die Aussage vorgibt; vielmehr zieht sich jeder Hörer individuell seine Aussage aus einem Track. Allein dieser Umstand macht die Sache schon interessant, weil man die Aussage eben NICHT vorgekaut und aufgezwungen bekommt wie in einem herkömmlichen Lied. Jeder findet für sich seine Aussage oder auch nicht, je nachdem.
Deshalb ist Techno für mich die anspruchsvollste und aussagekräftigste Musik überhaupt. Die Texte aller Rock- und Poplieder dieser Welt zusammen würden nicht annähernd ausreichen um zum Beispiel die Aussagekraft aufzuwiegen, die allein schon die Flächen im Intro von "Live at Mayday ´95" für mich haben. Diese Aussage kann man nicht beschreiben, wie denn auch, ich sagte ja, dass die Musik das ausdrückt, wofür man keine Worte (mehr) findet. Man muss sie vielmehr mit dem Herzen erfassen.

Mit den Leuten, die Techno nicht mögen, ist es meiner Meinung nach ganz einfach so: Ihnen fehlt halt der Sinn, diese Musik mit dem Herzen zu begreifen, sie haben nicht das richtige Herz dafür. Das ist nicht abwertend gemeint, es ist gut, dass wir alle verschieden sind, wäre langweilig, wenn´s nicht so wäre. Ein Rocker hat eben das richtige Herz, um Rock zu verstehen. Deshalb hört er hauptsächlich Rock. Ich habe halt von der Natur das Herz, um Techno zu verstehen. So wie ein Rocker nicht versteht, wie man Techno mögen kann, verstehe ich nicht, wie man Rock mögen kann (das sind nur Extrem-Beispiele, ich weiß, es gibt Leute, die beides hören und so. Ich selber höre ja auch nicht NUR Techno). Ich will damit nur sagen: Techno mögen können nur die, die von der Natur den Sinn dafür bekommen haben, diese Musik zu erfassen und zu begreifen. Die anderen haben diesen Sinn halt nicht. Deswegen akzeptiere ich auch keine Diskussion darüber, ob Techno gut oder schlecht ist oder Kunst oder nicht. Es ist Musik, für die man den richtigen Sinn braucht, um sie zu verstehen. Es gibt Leute, die schimpfen, "Techno, das ist doch nur Bumm Bumm und keine Musik". Da könnte ich ja genauso sagen: "Und euer Rock? Das Affengegröhle und Gitarrengeschrammel ist doch keine Musik. Und von Hiphop fange ich lieber gar nicht erst an."
Aber ich akzeptiere eure Musik, sie spricht euch an. Deshalb erwarte ich, dass ihr auch meine akzeptiert, die mich anspricht, und nicht mit hirnlosen Sprüchen kommt wie "ist doch nur bumm bumm". Denn genau dieses Bumm Bumm hat für mich die Aussage, die keiner eurer Motherf****r-brüllenden Rapper mir auch nur ansatzweise bieten kann. Jeder hört die Musik, die ihn anspricht.

Um es nochmal zusammenzufassen: Schöne Melodien und Harmonien, bei denen man schreien könnte vor Glück, zusammen mit dem Beat bzw. Groove, das erzeugt eine Dramatik, die die Seele anrührt und mit dem Verstand nicht begreifbar ist. Das sind Emotionen, die man nicht in Worten beschreiben, sondern nur mit dem Herzen fassen kann. Die Sprache der Musik beginnt (spätestens) da, wo Worte nicht mehr können.

Ich wünsche euch allen, tiefgreifende emotionale Erfahrungen mit Musik zu machen, wenn das noch nicht der Fall war.

In diesem Sinne, eine gute Nacht allerseits,

t n


Nachtrag:

Ich bin in einer christlich-religiösen Sekte groß geworden (eine der gefährlichsten Deutschlands, stehen im Sektenregister) und habe sehr viel ******e erlebt. Techno hat mir geholfen, diese ******e zu überleben. Jedesmal, wenn so eine Flachpfeife sagte, "Techno ist teuflische Musik, die darfst du nicht hören", habe ich sie aus Protest erst recht gehört. Ihr Christen-Heinis habt mit euren dummen, dummen Anfeindungen genau das Gegenteil erreicht: Je mehr ihr Techno schlechtgeredet habt, desto mehr habe ich diese Musik geliebt und euch gehasst, mich an sie geklammert, und ich liebe sie heute mehr denn je. Euer Schwachkopf von Gott hat mir nicht geholfen, aber Techno hat mir geholfen, Techno war da, wenn ich es gebraucht habe. Die Musik hat mich nie enttäuscht, nie, nie, nie. Ganz im Gegenteil.

Ich verachte Religion grundsätzlich. Aber wenn es einen Gott gibt, dann ist sein Name Techno ;) :) .
 
Zuletzt bearbeitet:
Sehr sehr schön gesagt! auch wenn ich mit verschiedenen parts deiner argumentation nicht ganz einverstanden bin, ist es eben deine und nicht mein Ansicht! ich würde mich eigentlich über sehr viel mehr comments freuen!!

mfg
 
Besser kann man es nicht sagen! Genau das ist es was mit mir im Moment passiert! Der Wandel Mainstream(Pop, Rock) zu Techno! Ich höre grad wieder das Videoset von Peeb und ich könnt heulen vor Glück wenn ich die Augen schließe...es ist ein unbeschreibliches Gefühl! Manche würden sagen: Ihr/Du übertreibt/übertreibst, aber das ist wirklich so!

Einfach WUNDERSCHÖN...

In diesem Sinne, lG Flipsen
 

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