Techno als Musikrichtung/Kultur/Subkultur/Werte?

[tossit]

Um mal wieder ganz zurueck auf's urspruengliche Thema zu kommen, ich glaube man kann darueber etliche Buecher schreiben. Und das wird ja auch fleissig getan.

Meine zwei Cents dazu: Techno ist einfach eine Musikrichtung mit den dazugehoerigem Schnick-Schnack durch den sich die "Anhaenger" identifizieren. Hierein spielen dann so Dinge wie ein bestimmter Dresscode (z.b. Schranzerhosen, Haarstyling, Piercings), bestimmte Drogen, Zeitschriften, Idole (DJs in diesem Falle) und nicht zuletzt gewisse Verhaltensstrukturen wie z.B. ein bestimmter Tanzstil, Sprache und auch das gewisse "Do" und "Don't".

Zu diesen Do's und Don't zaehlen u.a. haeufig auch Werte wie z.B. Toleranz, eine bestimmte politische Einstellung (z.B. die beruehmte "Desinteresse" an der Politiek) und auch ein bestimmtes "Mindestwissen/Fachwissen", wie z.B. die komplette Entstehung von Techno, wie es in Ibiza ist, etc...

Im Grunde ist Techno sicherlich eine Verkwickung von allerlei auesseren Einfluessen die sich in den letzten Jahren veraendert haben, was sich natuerlich auch in der "Bewegung" bemerkbar macht. Ein paar Stichwoerter: Verkommerzialisierung, (Drogen)Politik, Massenbewegung a la Loveparade etc...

Was heisst das fuer das angesprochene Thema? Nichts. Techno ist genauso eine Musikrichtung wie alle anderen auch. Es ist weder eine Religion, noch eine Philosophie, noch hat es irgendwelche ethischen Ansprueche. Sicher kann man die Musikrichtung auch zum Teil leben, aber mal ehrlich... Life is not always a party, oder auf eine andere Musikrichtung uebertragen: not always Sex, Drugs and Rock'n'roll.

Weil wir uns nun mal stark mit Musik indentifizieren, es hat ja z.B. einen enormen Einfluss auf unsere Stimmung, verwechseln wir gerne unsere persoenlichen Werte, die alle schon in uns sind, mit denen der Musikrichtung.
Mal ganz konkret ausgedrueckt: die Leute, die die Techno-Kultur "gegruendet" haben, sind/waren einfach Leute, die gewisse Wert-vorstellungen mitgebracht haben. Man brauch nun mal Offenheit um neue Wege zu beschreiten. Das gilt sowohl fuer die Produzenten/DJs als auch fuer die Leute, fuer die die Musik voellig neu war.
Und nicht zuletzt, wer geht denn schon gerne auf eine Party um sich zu schlagen?? Feiern an sich ist eine friedliche und glueckliche Angelegenheit.

Toleranz ist schon im Menschen, und es ist nicht die Musik die einen tolerant macht!

Auszug aus: Tossit's Ideen ueber die Welt; Vision&Pain 2002 ;-))

Natuerlich wurde hier und da pauschalisiert, was aber den Kern der Aussagen nicht schmaelert. Und nicht zuletzt ist es halt nur ein Gedanke zum Thema...

 

[Bruce]

[quote author=tossit link=board=20;threadid=5535;start=25#51817 date=1039648990]
Techno ist einfach eine Musikrichtung mit den dazugehoerigem Schnick-Schnack durch den sich die "Anhaenger" identifizieren ... Dresscode ... bestimmte Drogen ... Zeitschriften ... Idole ... gewisse Verhaltensstrukturen ... Sprache ... Werte ... politische Einstellung[/quote]

... eigene spezifische Clubs, Labels, Vertriebe, Netzwerke

Na das ist doch schon mal ne ganze Menge was meiner Meinung nach deutlich über eine bloße Musikrichtung hinausgeht. Okay, ich bin kein Soziologe, aber sind das nicht schon Kennzeichnen zumindest einer Jugendkultur oder einer Subkultur?
Ausserdem hat Techno auch noch andere Lebensbereiche weltweit beeinflusst: So wurde zum Dresscode die entsprechende Mode entworfen; Werbung mit elektronischer Musik unterlegt; ein anderes Beispiel, welches ich schon weiter oben brachte: House, die Forsetzung von Disco und co. -> ein verbindendes Element der der Schwulenbeegung in den USA (z.B. NY, Chicago); in Detroit Techno die Rettung aus dem Ghetto, zuerst in einer Traumwelt (Thema Space, From Galaxis to Galaxis und co) und eigentlich dann ganz reell (Gründung von Vertrieb und Label --> Arbeitsplätze) ...

Techno ist genauso eine Musikrichtung wie alle anderen auch

Zumindestens ich meine das ja auch nicht, dass es was anderes ist, es ist einfach nur "another step", aber ich denke z.B. auch Rock`n`Roll war min. eine Jugendkultur.

Life is not always a party

Darum geht es ja nicht. Ich denke, wenn ich von Techno rede, ja auch nicht nur an "auf Party" gehen. Bei mir persönlich ist es jedoch so, dass ich den grössten Teil meiner Zeit mit techno im Allgemeinen verbringe, bin z.B. im Forum (diskutiere da z.B. über Techno), mache Musik (also versuche), lese die verschiedensten Dinge über Techno, kaufe Platten, mixe Platten, rede mit anderen darüber, bin in einer Dj-Crew, gehe auch mal auf Partys, schreibe reviews für partys. Ich mache quasi nix anderes mehr (ausser schlafen, essen, freundin, arbeit) und gebe auch für alles andere nur so wenig wie möglich aus ... es geht also definitiv über Musikhören hinaus und ist nicht nur party - u know?

Toleranz ist schon im Menschen, und es ist nicht die Musik die einen tolerant macht!

Stimmt natürlich auch irgendwie wieder, aber wenn man sich zu dieser (nennen wir es mal neutral) Gruppierung Techno zählt und sich vielleicht den evtl vorhandenen Idealen (egal ob reell oder nicht) bewusst ist, dann kann man ja versuchen das auch an andere weiterzugeben bzw. das auch außerhalb des Systems "techno" zu leben. Z.B. könnte ja auch jemand, der offen sagt, er ist nicht tolerant, gerne techno hören wollen bzw. in einen techno-Club gehen wollen. Und nun meine ich ja nicht "hey der darf nicht kommen, denn er ist ja nicht tolerant, also gehört er nicht zu Techno" --> Das wäre ja schließlich auch wieder intolerant. Nein, sie sollen alle kommen (auch z.B. Rentner zur LoveParade), wir leben ihnen z.B. Toleranz vor und vielleicht nehmen sie ja etwas davon in ihren Alltag mit und so hätte man vielleicht ein Stück die Welt verändert. Das ist ein Ansatz, wie ich ihn verstehe ...

Und nicht zuletzt ist es halt nur ein Gedanke zum Thema...

Genau wie bei mir ...

MfG Bruce

 

[Mandragor]

Jetzt will ich hier auch mal meinen Senf dazugeben:
1. Ich mag keine feine Cervelatwurst ( ich stehe mehr auf Schinken ) aber: ich toleriere sie ! ( kein Widerspruch ! )

2. Um auf das eigentliche Thema zurückzukommen:
Ich sehe Techno als Musikrichtung, um die sich im Laufe der Jahre ein Kult entwickelt hat. Ich gehe aber nicht so weit, Techno als eine Lebenseinstellung oder ein Lebensgefühl zu bezeichnen. Und zwar aus folgendem Grund: Techno hat keine Aussage, die durch die Musik ausgedrückt oder durch sie transportiert wird. Jeder Wert, der nach Meinung vieler hier
eng mit Techno verbunden ist, wurde durch seine Anhänger auf die Musik projeziert bzw. in sie hineininterpretiert, er ist nicht elementarer Bestandteil der Musik selbst.
Am Anfang des Technokults stand die Aussage: Wir bewegen nichts, ausser uns selbst. Das kann man meiner Meinung nach noch heute so stehen lassen. Der Unterschied zwischen
den Anfängen des Kults und heute besteht lediglich darin, das
damals die meisten, die sich zu wummernden Beats über den
Dancefloor bewegten, sich dessen bewusst waren und deshalb gar nicht erst versuchten, irgend eine Botschaft in die Musik zu interpretieren. Folglich versuchten sie auch nicht, diese Botschaften weiter zu tragen und andere davon zu
überzeugen.
Und genau aus diesem Grund entstand der Eindruck, Techno sei besonders tolerant. Denn genau das ist die Bedeutung von Toleranz: Leben und leben lassen. Für die damalige Zeit
war Techno tolerant, weil sich seine Anhänger überhaupt nicht darum kümmerten, ob die Musik irgend eine Aussage hatte.
Es ging einfach nur um das Tanzen und Spass haben.
Heute hat sich das durch den Einfluss vieler Faktoren geändert: Die ersten Technoanhänger haben den Kult entstehen lassen, die Nachfolger der Gründergeneration haben für die Entstehung von Mythen und Legenden gesorgt,
die die ursprüngliche Aussage der Musik ( nämlich dass es keine gibt ) verklärt und ins Gegenteil verdreht hat. Dazu kommt noch die völlig andere Rolle von Techno heutzutage:
Die Musik hat die Tiefen des Undergrounddaseins verlassen und ist zu einem Wirtschaftsfaktor geworden. Die Folgen dieser Kommerzialisierung sind bei jeder Musikrichtung gleich: Die Industrie erkennt das kommerzielle Potential eines
Stils und beginnt zunächst damit, eine Vermarktungsstrategie aufzubauen. Zu diesem Zweck propagiert sie selbst Techno als eine Bewegung mit Werten und Zielen, denn nur so scheint es möglich zu sein, eine breite Basis von Konsumenten anzusprechen. Wenn das ganze dann eine bestimmte Basis erreicht hat, beginnt es früher oder später politisch zu werden. Damit meine ich, dass Teile dieser
künstlichen "Bewegung" von den Inhalten, die eigentlich ja gar nicht existieren, so überzeugt sind, dass sie beginnen, andere Teile damit beeinflussen zu wollen. Wenn das wie hier der Fall ist, ist Techno eigentlich schon lange zweckentfremdet, dann hat er nichts mehr mit Toleranz zu tun.

 

[tossit]

Genauso sehe ich das auch und das ist auch ungefaehr derselbe Gedanke wie ich ihn oben ausdruecken wollte. Hmm, warum mache ich die Sachen immer so kompliziert...

PLUR

 

[Arb]

@toss
Ist doch mal schön ein und dieselbe Meinung von zwei Personen anders verfasst zu sehen. Find das witzich

Ich hab dem ganzen auch nicht mehr soviel hinzuzufügen, da das meiste ja schon beantwortet wurde. Nur ein paar kurze Sätze wie ich darüber denke.

Techno ist für mich so: Manchmal bringt er mich gut drauf, manchmal entspannt er mich ganz einfach. Manchmal raste ich völlig aus innerlich und treibe mit der Welle. Und wenn ich furchtbar, gräßliche, abgrundtief, böse Aggressionen habe hau ich mir ein Brett vor den Kopf und werde locker. Wenn ich im Auto sitze und über die Autobahn fahre fühle ich die Geschwindigkeit in mir und der Musik, wenn ich im Club bin kann ich die Musik anfassen, den sie ist sichtbar und verschmelzt mit der Umgebung. Und wenn mich dann einer fragt: "Was is'n Techno?" sag ich: "Er ist überall, du musst nur lernen ihn zu spüren!"

Amen Bruder

 

[Bruce]

[quote author=Mandragor link=board=20;threadid=5535;start=25#52060 date=1039788095]
Damit meine ich, dass Teile dieser
künstlichen "Bewegung" von den Inhalten, die eigentlich ja gar nicht existieren, so überzeugt sind, dass sie beginnen, andere Teile damit beeinflussen zu wollen. Wenn das wie hier der Fall ist, ist Techno eigentlich schon lange zweckentfremdet, dann hat er nichts mehr mit Toleranz zu tun.
[/quote]

Du sprichst damit evtl. auf z.B. mein Statement "... und so hätte man vielleicht ein Stück die Welt verändert." usw. an, oder?
Tja, ich will ja keinen zwingen, genauso zu denken oder zu handeln wie ich. Das sollte eigentlich bei meinen Aussagen rübergekommen sein. Es geht mir darum, dass ICH darüber nachdenke und mit meinen Gedanken mit anderen in Diskussion kommen möchte, um mehr zu erfahren. ...

Auf jeden Fall sehe ich schon Potential in solch einen Diskussion und werde bei Gelegenheit mal noch weitere Aussagen/Gedanken von mir oder anderen dazu posten.
Hoffe ich bin nicht der einzige den das interessiert (offensichtlich ja nicht, sind ja schon ne Menge intelligenter Sachen dazugekommen)

MfG Bruce

 

[EXP]

AW: Re:Techno als Musikrichtung/Kultur/Subkultur/Werte?

Das thema toleranz ist schwierig weil jeder eine andere toleranzgrenze hat.
Techno hat sich zu einer jugendkultur gemausert. genauso wie damals in der beat zeit die beatles und in den 70er der rock usw.
Techno ist eine Musikrichtung, eine Lebenseinstellung, ein Lebensgefühl, ein Trend, eine Modeerscheinung, Partymusik, Musik der Junkies.
Die werte die techno übermitteln sollte wurde damals falsch vermittelt wurden, deswegen ist die szene so wie sie ist.

p.s. peace

 

[dj-union]

Hallo,

ich habe in meinen Anfangszeiten von Techno früher im legendären OMEN gehabt. Meine Mitschüler haben mich damals mal mitgeschleppt.
Da ich prinzipiell alle Arten von Musik höre, war ich neugierig, und was soll ich heute sagen: Es hat mich gepackt.
Diese einmalige Atmosphäre, eine super Stimmung. Und vor allem: wenn man mal jemanden angerumpelt hat, war niemand genervt, sondern es war ein Miteinander. Genau dies habe ich im OMEN und später im U60311 immer bewundert.
Man muss einfach nur offen sein, und genau das macht Techno meiner Meinung nach so besonders.

Mfg, dj-union

 

[Rifo]

Mittlerweile hat sich so eine Art New-Rave-Jugend gebildet, was wahrscheinlich hauptsächlich den 2 Jungs von Justice zu verdanken ist und noch ein paar anderen Franzosen. An deutschen Gründern dieser Szene war wohl Kid Alex alias Boys Noize noch am meisten mit beteiligt.
Ich denke das man diese ''Szene'' durchaus als eine Subkultur des Techno bezeichnen kann, mal sehen wie lange der Hype noch anhält.

 

[Jinimonster]

Mittlerweile hat sich so eine Art New-Rave-Jugend gebildet, was wahrscheinlich hauptsächlich den 2 Jungs von Justice zu verdanken ist und noch ein paar anderen Franzosen. An deutschen Gründern dieser Szene war wohl Kid Alex alias Boys Noize noch am meisten mit beteiligt.
Ich denke das man diese ''Szene'' durchaus als eine Subkultur des Techno bezeichnen kann, mal sehen wie lange der Hype noch anhält.

und jetzt..... fast 5 Jahre später..... hält dieser "Hype" leider immer noch an.

 

[Ulfmann]

Kannst du dich auch vernünftig an den Themen beteiligen?

Es gibt doch etliche Genres und/oder Subgenres, die eine fragwürdige Entwicklung genommen haben (wobei das immer ein weitestgehend subjektives Urteil bleibt).