Ich kann da nur soviel zu beitragen, dass ich ein paar Erkenntisse aufschreiben kann, zu denen ich für mich ganz persönlich im Laufe der Zeit gekommen bin.
D.h. man kann das hier nicht verallgemeinern ..
Es fängt schon damit an, welche Methoden ich verwende, um das Arragement überhaupt –aus dem Nichts oder auch nicht– zu erschaffen.
Benutze ich einen Hardware Sequenzer oder Software?
Arrangiere ich live, indem ich einfach mehrere Takes in Echtzeit aufnehme/einspiele und mir den besten schnappe um ihn ins Arr. einzubauen.
Oder baue ich alles nur mit der Maus/Tastatur und gehe dabei eigentlich mehr so vor, dass ich etwas im Stillstand "plane" und "einzeichne" und es dann abspiele und wieder anhalte .. editiere .. abspiele .. oder ich einen Loop laufen lasse den ich vollknalle und anschließend nach Schema F aus dem einen Loop und seinen Clones (die alles beinhalten) durch Variationen und bloßes Muting und Fading ein Arrangement erschaffe oder eine Kombination aus mehreren genannten.
.. Benutze ich eine Pianoroll/Phrasensequ. oder Patternsequ.? .. habe ich ein Masterkeyboard und/oder andere Kontrollerhardware?
Ja, in Ableton z.B. könnte man ein
komplettes "Arrangement" NUR in der Session-Ansicht mithilfe von Follow Actions quasi dynamisch erzeugen .. Es gibt etliche Wege zum fertigen Track.
All diese Methoden und deren Kombinationen haben schon völlig unterschiedliche Einflüsse auf das Endergebnis, also das fertige Arrangement, weil sie alle immer nur einen stark eingeschränkten Kompromiss zur perfekten Arrangier-/Produktionsmethode darstellen ... sich den Track nämlich einfach zu
erdenken und mental z.B. auf Festplatte zu übertragen. Das funktioniert aber leider nur im Märchen.
Du solltest also mal reflektieren, ob Du vielleicht eine dich selbst bremsende Herangehensweise an das Arrangement hast und einfach mal andere Methoden ausprobieren ..
Dann geht es in erster Linie auch darum, in der Lage zu sein etwas gleichzeitig aus mehreren "Blickwinkeln" betrachten zu können und gewohnte Pfade auch mal zu verlassen bzw. am besten erst gar nicht zu betreten .. sich einfach treiben lassen (darum bastel ich am liebsten mit Ableton Live .. weil ich da so gut wie nie auf "Stop" drücken muss .. und bei Stille/Stillstand kann man sich halt nicht allzu gut treiben lassen
) .. und etwas
richtig im entscheidenden Moment erkennen zu können. Der kommt nämlich oft nur ein einziges Mal und wird entweder
verkannt (was 'Strg+Z' oder 'Entf' zur Folge hat) oder bestenfalls
erkannt (was einen Aufgriff der Inspiration und Weiterverarbeitung im Arrangement bedeutet).
Was dann im ersten Sekundenbruchteil vielleicht nach einem störenden Fehler oder Irrtum klang, weil man eigentlich gerade etwas ganz anderes verfolgt hatte ... bzw. gerade dabei war ganz unbewusst wieder in die gewohnte 0815 Schiene abzurutschen und sich dabei aber zufällig verklickt/-schraubt/was weiß ich hat ... kann bei einer unvereingenommeneren Betrachtungsweise nämlich genau
das sein was dem Track das gewisse Etwas aufprägen könnte, um den Zuhörer in seinen Bann zu ziehen, ihn zu fesseln.
Schon bei einem einzigen simplen Drumloop z.B. ist es ja schon von großer Bedeutung, von wo aus ich den Loop überhaupt zum allerersten mal starte ... je nachdem wird da mit ein und demselben Loop eine ganz andere Stimmung erzeugt .. der Loop klingt pushend oder vielleicht eher treibender/fließender .. usw.
Kannste ja ganz einfach ausprobieren, indem Du einfach mal hingehst und einen 2taktigen Kick-Drumloop nimmst (einfach nur: 1 - 1/2 - 1/3 - 1/4 - 2 - 2/1 - 2/2 - 2/3 - 2/4 bzw. 1 - 5 - 9 - 13 - 17 - 21 - 25 - 29) und mal einen einzelnen Hit auf 1/2 bzw. 5 dazu baust.
Wenn Du den Loop dann von der 1 startest und eine Zeit lang durchlaufen lässt, wird ein völlig anderer "Groove" erzeugt als wenn Du
denselben Loop von 1/2 bzw. 5 starten würdest und auch eine Zeit lang durchlaufen lassen würdest.
Da fängt das Arrangement ja schon an .. und so verhält es sich ja bei allen Loops zueinander ..
Ich habe schon oft komplexere und auch einfachere Loops wieder gelöscht, wo ich mich hinterher gefragt habe, ob ich das vielleicht einfach nur an der falschen Stelle gestartet hatte weil der Loop doch während der Bauzeit, wo er so vor sich hindudelte noch "ganz anders" klang, aber nachdem ich dann einmal auf Stop gedrückt habe und dann von der 1 neu gestartet habe plötzlich der geistige Bezug zum Loop weg ist und damit gleichzeitig auch jede Grundlage für eine Arragement-Idee mit diesem Loop.
Wenn man so einen Loop langsam mit verschiedenen Instrumenten/Klängen und Anschlägen aufbaut, indem man was hinzugefügt und auch wieder wegnimmt, verschiebt, dupliziert, Klänge schichtet, Velocity Kurven ändert, Dinge gegenseitig triggert, etc. .. und den Loop dabei fast ständig durchlaufen lässt, macht man ja unbewusst auch gleichzeitig ein kleines "Miniarrangement" .. es läuft im Prinzip für einen unbeteiligten reinen Zuhörer dabei so eine Art Track ab. Und da sollte man nicht unbedingt immer mit der Bassdrum oder was weiß ich anfangen, sondern intuitiv handeln und
sich selber dabei zuhören, weil man da oft schon unbewusst die besten Ideen für den Trackaufbau bei entwickelt und diese auch sofort umsetzt, indem man neue Anschläge im Loop erzeugt oder halt löscht ... s.o. und sich auch andere
noch gar nicht existierende Spuren "dazudenkt" .. nur dieses erste "Miniarrangement" verschwindet bei den meisten Produziermethoden direkt im Nirwana, weil es einmalig in Echtzeit ausgeführt wird und übrig bleibt der fertige Loop ohne, das man Snapshots von den ganzen Zwischenstadien während der Loopaufbauphase gemacht hat.
Das meine ich mit 'im richtigen Moment erkennen'!
Ja, und dann wenn man das EIGENTLICHE Arrangement machen will indem man Bauklötzchen stapelt, wundert man sich warum die Luft irgendwie draußen ist .. obwohl einem doch gerade noch alles so klar vor dem inneren Auge ablief.
Aber etwas entscheidendes ist jetzt anders ... Wenn Du ein Arrangement mit fertigen
Clonen von "Loop-Modulen" zusammenschraubst und noch nen paar Standard-Hüllkurven drüberziehst, wird es immer 0815 klingen .. erst wenn Du gezielt einzelne Elemente in den einzelnen Bausteinen individuell veränderst oder welche hinzufügst oder wegnimmst oder etwas voranstellst oder hinten dran hängst usw. .. dann kommt Leben in dein Arrangement. Und da reichen oft schon minimale Veränderungen oder auch einmalige Ereignisse aus, um große Wirkung zu erzielen!
Das bedeutet also, dass man mit "aufwendigeren" Hüllkurven auch zum Ziel kommt .. schließlich kann man das ja auch mit Effekten erreichen .. z.B. mit ganz gezielt eingesetzten Delays, Gates, pitchshifter .. und solchen im Grunde genommen ganz einfachen Effekten, die man über Hüllkurven moduliert ..
Und nichts anderes hat während einer "Live-Bauphase" eines Loops stattgefunden und deshalb war dabei auch noch jede Veränderung eine gleichzeitige Inspiration zur nächsten Veränderung des Loops/Miniarrangements bis das Ding für fertig befunden wurde ..
Ein
wirklich guter
fertiger Track kann für den Zuhörer beim ersten "Kontakt",
z.B. deshalb so gut sein, weil er etwas präsentiert bekommt, dass er sich
so zuvor selber noch nicht vorgestellt hat aber wenn man es dann hört, sagt man sich "Passt wie die Faust auf's Auge .. wieso bin ich da nicht selbst drauf gekommen?" ... der Track ist doch eigentlich sooo einfach .. aber trotzdem irgendwie genial fesselnd.
Oder aber, man findet den Track deshalb so
besonders gut, weil man etwas "vertrautes" in dem Track wiedererkennt, das sich in
genau diesem Track ... für einen ganz persönlich ... einen großen Schritt in Richtung Vollkommenheit entwickelt hat .. z.B. ein Remix, den man wesentlich besser als das Original findet, obwohl er sich sehr nah ans Original hält .. bloß auf die schier unendliche Masse an existierender Musik bezogen, einfach individuellere Musik ist.
Und das muss gar nicht mal irgendwas hochgradig kompliziertes sein .. ganz im Gegenteil .. in der Einfachheit liegt die Genialität und das ist es ja, was elektronische (oft loopbasierende) Tanzmusik so schön macht .. sie ist so schön einfach und kann doch gleichzeitig hochkompliziert sein
.. und nur deshalb kommt es ja überhaupt zu diesen "Wiedererkennungen" ... das kann irgend ein Element sein, was in Track A lediglich ein winziges Detail darstellt und in Track B zum Hauptthema herausgearbeitet wurde.
Ich kann z.B. nächtelang damit zubringen einen bestimmten Effekt mit allem möglichen Material zu füttern und einfach willenlos damit rumphasern, bis durch –mehr oder weniger– Zufall dabei ein inspirierendes Geräusch entsteht ... oder auch nicht :d.
Aber ein Arrangement sollte man meiner Meinung nach möglichst zügig zu Ende bringen, sonst kann es schnell ne ewige Baustelle werden, die immer mehr voll Grundwasser läuft ..
Oder einfach ein vorhandenen Track nehmen und etwas dazubasteln .. bzw. etwas darin schrittweise zu ersetzen, bis schließlich ein völlig neuer Track entsteht ... das machen viele Produzenten leider nur so lieblos und mal ävenz dahingerotzt, dass von denen irgendwie alles gleich klingt .. halt Inzucht ...
Nimm mal ein Track von dir (am besten ein Softwareprojekt) und tausche einfach mal nur alle Sounds aus .. das finde ich bei Reason z.B. so genial, das man bei allen Intrumenten zwei Buttons hat um sämtliche Sounds "durchzuscrolllen" .. das kann auch sehr inspirierend für eine neue Arrangement-Idee wirken. Dann am besten sichern und zwei Wochen liegen lassen .. das ganze mit vielen Tracks im Rotationssystem machen also sich auch weiterhin mit den schon "fertigen" Tracks auseinandersetzen und sie "besser kennen lernen" das man zwischen den Zeilen lesen kann und die Strukturen im Track erkennt, die ihm
wirklich seine Persönlichkeit und DEINEN Style verpassen, um dieses auf neue Tracks abzuleiten.
Oder mal eine schon vorhandene Melodie mit mehreren verschiedenen Sounds spielen, die sich innerhalb der Melodie abwechseln .. das bringt auch neue Ideen ..
Eins steht jedenfalls fest, wenn man es nicht schafft den gewissen Moment im Arrangement mit einem bestimmten Sound/Soundkombination aber auch z.B. mit gezielt eingesetzter Stille(!) zu erzeugen, der dafür sorgt, dass der Zuhörer in Schwingungen gerät, ist alles andere für die Katz .. und da kann man sich noch so peinlich genau an die auch hier im Thread gepredigten 0815-Einheitsbrei-Missionarsstellung Standard Arragement Elemente halten ... bringt alles nichts.
Du wirst hier keine maßgeschneiderte Lösung für dein Problem finden .. Du kannst hier höchstens nachlesen, wie andere mit dem Problem umgehen ...
Das war das Wort zum Jahr 2011 ..vielleicht ist ja der ein oder andere brauchbare Denkanstoß dabei gewesen ..
P.S. Das mit den bunten Balken aufmalen fand ich auch sehr gut ..