DVD-PREMIERE "FILM NOIR"
Blutbad mit Sex-Appeal
Von Daniel Sander
Wer will schon subtile Erotik, wenn er halbnackte Stripperinnen im Blutrausch haben kann? Eben. Mit viel Sex, noch mehr Gewalt und einer gesunden Portion Ironie verbeugt sich der computeranimierte "Film Noir" vor Hollywoods schwarzer Serie.
Er weiß nicht mehr, wie er heißt, wo er herkommt, was er dort wollte, oben auf den Hügeln von Los Angeles, direkt am Hollywoodzeichen. Er war bewusstlos, und jetzt liegt vor ihm ein toter Polizist mit einem Einschussloch in der Stirn, daneben ein Revolver, der in das Halfter unseres Helden passt. Keine Erinnerungen, nur eine Gewissheit: Er selbst ist der Böse in dieser Geschichte. Er setzt sich in das Auto des Cops und flieht, um irgendeine Spur zu sich selbst zu suchen, in der Angst, ein Monster zu finden.
Ein Filmanfang wie aus dem finstersten Hollywood der vierziger Jahre, als heimtückisch, aber elegant gemordet wurde auf der Leinwand, als die Männer schweigsame Einzelkämpfer zwischen Gut und Böse waren und die Frauen so verführerisch wie gefährlich. Ein klassischer Film Noir eben ist diese DVD-Premiere, die sich der Einfachheit halber "Film Noir" nennt, wie praktisch.
Ganz so klassisch geht es dann doch nicht immer zu in dieser Detektivgeschichte, trotz der ständigen Saxofonuntermalung in Moll und dem düsteren, tief-stimmigen Voice-Over des Protagonisten. Denn alles spielt im Hier und Heute und auch noch in Zeichentrick, in schwarz-weiß zwar, aber samt Handy und Internet und einem Waffenarsenal, von dem Humphrey Bogart in "Tote schlafen fest" nicht mal hätte träumen können.
Kleine Farbtupfer wie eine tiefrot blutende Wunde oder ein gelb leuchtendes Neonzeichen akzentuieren das weitgehend computeranimierte Geschehen, was seit "Sin City" von Robert Rodriguez zwar nicht neu, aber immer noch sehr schön anzusehen ist.
Allzu viel Respekt und Ehrfurcht vor den großen Vorbildern der schwarzen Serie muss man nicht erwarten, denn die Handlung von "Film Noir" nimmt so viele überdrehte Wendungen, bis irgendwann nur noch die (äußerst unterhaltsame) Karikatur eines Plots übrig ist.
Gestorben wird möglichst blutig und brutal, und statt kühler, subtiler Erotik hagelt es wilde Sexszenen mit nahezu jedem weiblichen Charakter, in einem Fall gar mit tödlichem Ausgang, was dem Helden einen angriffslustigen Mob halbnackter Stripperinnen auf den Hals hetzt. Dieser Film weiß, wann er sich ernst nehmen muss und wann er sich ein bisschen Spaß gönnen kann.
Ursprünglich wollten die Filmemacher den Film in der klassischen 2-D-Animation handzeichnen lassen, bevor sie sich für die schnellere und billigere 3-D-Animation aus dem Computer entschieden haben. In den Extras der DVD-Special-Edition findet man noch die ersten 15 Minuten des Films in der geplanten Fassung, was ahnen lässt, wie spektakulär der Film hätte aussehen können.
Schönster Bonus ist jedoch das ausführliche Interview mit dem mysteriösen Regisseurs D. Jud Jones, der laut "Variety" eigentlich Srdjan Penezic heißt und vor etwa 20 Jahren aus Serbien nach Los Angeles kam und bislang vor allem Werbespots und Firmenvideos gedreht hat.
Unprätentiös und mit reichlich trockenem Witz erzählt er (wenn er es denn wirklich ist) von der kruden Entstehungsgeschichte des Films, die ihren Anfang darin genommen habe, dass er für die erste Drehbuchfassung keine realen Schauspieler finden konnte, weil diese da noch ständig nackt hätten auftreten müssen, und er sich dann eben für Zeichentrick entschieden habe. Die Story sei ohnehin sehr schnell entstanden, denn er schreibe ja ständig irgendwelche Drehbücher, das sei für ihn wie Stricken. So beruhigend.
